Pflegegrad 4 – Definition,Voraussetzungen und Leistungen
- Definition
- Voraussetzungen & Kriterien
- Leistungen bei Pflegegrad 4
Wer nachweislich unter einer „schwersten Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“ leidet, erhält ab 2017 auf Antrag und nach einer Begutachtung den neuen Pflegegrad 4 und damit verbundene Pflege- und Betreuungsleistungen aus der Pflegekasse. Neben neuen Antragstellern erhalten auch bereits anerkannt Pflegebedürftige mit Pflegestufe 2 und eingeschränkter Alltagskompetenz sowie Pflegebedürftige mit Pflegestufe 3 automatisch den neuen Pflegegrad 4.
Definition: Was ist der Pflegegrad 4?
Pflegegrad 4 beschreibt die
schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit
von Pflegebedürftigen und garantiert ihnen entsprechende Leistungen aus der Pflegeversicherung. Um Pflegegrad 4 zu erhalten, müssen Versicherte zunächst einen Antrag auf Pflegegrad bei ihrer Pflegekasse stellen. Anschließend werden sie von einem Gutachter des Medizischen Dienstes der Krankenkassen (MDK; bei gesetzlich Versicherten) oder der MEDICPROOF (bei privat Versicherten) im Hinblick auf ihre noch vorhandene Selbstständigkeit untersucht und anhand eines Punktesystems eingestuft. Je selbstständiger der Antragsteller noch ist, desto weniger Punkte erhält er. Um von der Pflegekasse Pflegegrad 4 zugewiesen zu bekommen, müssen bei der Begutachtung mindestens 70 und unter 90 Punkte ermittelt werden.
Neben der Begutachtung neuer Antragsteller erhalten auch Pflegebedürftige mit bereits anerkannter Pflegestufe 3 sowie Pflegebedürftige mit anerkannter Pflegestufe 2 und eingeschränkter Alltagskompetenz ab 01.01.2017 den Pflegegrad 4.
Kriterien und Voraussetzungen für Pflegegrad 4
Pflegegrad 4 erhält, wer bei der Begutachtung durch den MDK oder der MEDICPROOF zwischen 70 und unter 90 Punkte erhält. Dafür ermittelt der Gutachter anhand des „Neues Begutachtungsassessments (NBA)“ den Grad der Selbstständigkeit des Antragstellers in folgenden sechs Bereichen:
Mobilität: Wie selbstständig kann der Begutachtete z. B. noch Treppen steigen oder sich selbstständig umsetzen?
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Wie findet sich der Betroffene z. B. in seinem Alltag örtlich und zeitlich zurecht? Kann er noch selbst Entscheidungen treffen?
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Ist der Antragsteller z. B. nachts unruhig? Zeigen sich bei ihm motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten?
Selbstversorgung: Wie selbstständig ist der Antragsteller noch in Bezug auf Körperpflege, das An- und Auskleiden und die Zubereitung von Essen und Trinken?
Bewältigung und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: Welche Unterstützung braucht der Antragsteller z. B. bei der Medikamenten- oder Sauerstoffgabe?
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Kann sich der Betroffene z. B. noch gut selbst beschäftigen? Pflegt er noch selbst seine sozialen Kontakte?
Leistungen bei Pflegegrad 4
Vergleichsweise viele Leistungen der Pflegeversicherung stehen Hilfsbedürftigen mit Pflegegrad 4 zu, denn ihre Selbstständigkeit ist bereits sehr stark beeinträchtigt und sie sind daher auf Unterstützung angewiesen.
Pflegegeld bei Pflegegrad 4
Wenn Pflegebedürftige mit Pflegegrad 4 durch Angehörige oder Freunde / Bekannte im eigenen Zuhause versorgt werden, steht ihnen Pflegegeld zur Verfügung. Sie haben Anspruch auf ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 728 Euro.
Zum Vergleich: Schon bisher erhielten Pflegebedürftige mit der vergleichbaren Pflegestufe 3 728 Euro Pflegegeld pro Monat. Pflegebedürftige mit Pflegestufe 2 und eingeschränkter Alltagskompetenz bekamen bisher nur 545 Euro Pflegegeld pro Monat.
Pflegesachleistungen bei Pflegegrad 4
Werden Pflegebedürftige im häuslichen Umfeld professionell durch einen ambulanten Pflegedienst versorgt, erhalten sie Pflegesachleistungen für Pflege, Betreuung und Hilfen bei der Haushaltsführung in Höhe von 1.612 Euro pro Monat.
Betreuungs- und Entlastungsleistungen bei Pflegegrad 4
Hilfs- und Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 4 steht ab 2017 der vereinheitlichte neue „Entlastungsbeitrag“ von monatlich 125 Euro für Betreuungs- und Entlastungsleistungen zu (bisher in der Regel 104 Euro, in Sonderfällen 208 Euro). Mit diesem Geld können sie z. B.
- an einer Betreuungsgruppe für leicht Hilfsbedürftige teilnehmen, die für geistige und körperliche Aktivierung sorgt,
- einen Alltagsbegleiter B. für Spaziergänge und Einkaufshilfen z.B. für den gemeinsamen Einkauf oder die Einkaufslieferung bezahlen,
- Haushaltshilfen honorieren, die ihnen z. B. beim Putzen der Wohnung oder bei beschwerlichen Hausarbeiten wie der Gardinenwäsche helfen.
Mehr Betreuung und Entlastung für nicht voll ausgeschöpfte Pflegesachleistungen
Wer bei Pflegegrad 4 seine Sachleistungen für professionelle Pflege von monatlich 1.612 Euro nicht voll ausgeschöpft hat, kann 40 Prozent davon für weitere Betreuungs- und Entlastungsleistungen nutzen. Sie können daher bis zu 644,80 Euro zusätzlich für Betreuung und Entlastung verwenden.
Kurzzeitpflege bei Pflegegrad 4
Benötigt ein Pflege- und Hilfsbedürftiger mit Pflegegrad 4 etwa nach einem Krankenhausaufenthalt noch professionelle Kurzzeitpflege, so stehen ihm dazu für 28 Tage im Jahr maximal 1.612 Euro Zuschuss zu.
Dabei gilt es Folgendes zu beachten:
- Wer im laufenden Jahr keine Verhinderungspflege (s. u.) nutzt, kann sogar bis zu 3.224 Euro Zuschuss für bis zu acht Wochen Kurzzeitpflege im Jahr von seiner Pflegekasse beanspruchen.
- Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 4 gewähren die Pflegekassen während der jährlich bis zu achtwöchigen Kurzzeitpflege zusätzlich auch die Hälfte ihres Pflegegeldes von monatlich 728 Euro, also 364 Euro im Monat.
Verhinderungspflege bei Pflegegrad 4
Für den Fall, dass pflegende Angehörige einmal selbst krank sind oder Urlaub brauchen, können Pflegebedürftige Verhinderungspflege durch professionelle Pflegekräfte nutzen. Dafür gewähren Pflegekassen Versicherten mit Pflegegrad 4 einen Zuschuss von bis zu 1.612 Euro für höchstens vier Wochen im Jahr.
Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege kombinieren
- Wenn Versicherte im laufenden Jahr keine Kurzzeitpflege (s. o.) beansprucht haben, erhalten sie bis zu sechs Wochen Verhinderungspflege pro Jahr für maximal 2.418 Euro.
- Während dieser Zeit steht Versicherten zudem die Hälfte ihres Pflegegeldes (d. h. monatlich 364 Euro) zu.
Tagespflege bei Pflegegrad 4
Für die Tages-und Nachtpflege erhalten Pflegebedürftige mit Pflegegrad 4 monatlich 1.612 Euro.
Die Zuschüsse für Tages- und Nachtpflege zahlen Pflegekassen dem Pflegebedürftigen übrigens zusätzlich zu seinem Pflegegeld. Diese werden nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet wie früher.
Weitere Leistungen bei häuslicher Pflege und Pflegegrad 4
Werden Pflegebedürftige mit Pflegegrad 4 zuhause versorgt, haben sie zusätzlich Anspruch auf
- Pflegehilfsmittel zum Verbrauch und medizinische Hilfsmittel:
- Sie erhalten monatlich bis zu 40 Euro für zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel wie z. B. Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel und Bettschutzeinlagen,
- Zuschüsse für technische Hilfsmittel wie z. B. den Anschluss (einmalig 10,49 Euro) und Betrieb eines Hausnotrufsystems (monatlich 18,36 Euro).
- medizinische Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel, die im Hilfsmittelverzeichnis des Spitzenverbandes Bund der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gelistet sind.
- Zuschüsse für die Wohnraumanpassung:
Für den altersgerechten Wohnraumumbau können Menschen mit Pflegegrad 4 einmalig für alle Maßnahmen der Wohnraumanpassung einen Zuschuss von bis zu 4.000 Euro von der Pflegekasse bekommen. Darunter fallen z. B. der Einbau eines Treppenlifts oder der barrierefreie Badausbau wie der Umbau einer Wanne zur Dusche.
- Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen:
Ab 2017 bieten Pflegekassen Angehörigen und ehrenamtlichen Helfern kostenlose Pflegekurse gemäß § 45 SGB XI an.
- Förderung für Bewohner von Wohngruppen oder WGs:
Leben Pflegebedürftige in Wohngemeinschaften oder ambulant betreuten Wohngruppen, so erhalten höchstens vier Bewohner die 4.000 Euro-Förderung für den altersgerechten Umbau. Zusätzlich steht jedem von höchstens vier Bewohnern ein einmaliger Gründungszuschuss von 2.500 Euro und ein monatlicher Zuschuss zur Beschäftigung einer Organisationskraft von 214 Euro pro Kopf zu.
- Beratung und Beratungsbesuche:
Die Pflegeversicherung trägt die Kosten für die Beratung von Menschen mit Pflegegrad 4 z. B. zu ihrer besseren pflegerischen Versorgung oder zum altersgerechten Wohnraumumbau. Auch die Kosten für die gesetzlich nötigen regelmäßigen Beratungsbesuche durch geschulte Pflegekräfte nach § 37 Abs. 3 Pflegeversicherungsgesetz werden übernommen.
Neuerung bei Hilfsmitteln ab 2017: Keine Extra-Anträge mehr nötig
Ab 2017 entfallen aufwändige Anträge auf medizinische Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel. Sofern der Gutachter des MDK oder anderer Organisationen bei der Begutachtung Hilfsmittel für den Pflegebedürftigen empfiehlt, gelten diese künftig automatisch bei der Pflegekasse als beantragt. Das regeln die neuen Begutachtungsrichtlinien des Spitzenverbandes Bund der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Stationäre Pflege bei Pflegegrad 4
Für die Pflege und Betreuung in einem Pflegeheim erhalten Pflegebedürftige mit Pflegegrad 4 ab 01.01.2017 monatlich 1.775 Euro von der Pflegekasse.
Neben den Leistungen aus der Pflegekasse ändert sich bei der stationären Pflege ab 2017 auch der Eigenanteil der Bewohner: In Zukunft ist der pflegebedingte Eigenanteil (sog. „einrichtungseinheitlicher Eigenanteil“, kurz „EEE“) für alle Bewohner einheitlich gleich hoch und steigt nicht mehr wie bisher mit steigender Pflegestufe und steigendem Pflegebedarf. Zwischen den stationären Einrichtungen wird es jedoch nach wie vor Unterschiede geben. Zudem variieren neben dem pflegebedingten Eigenanteil weiterhin die Kosten für Unterkunft (je nach Zimmergröße), Verpflegung und anteilige Investitionskosten.
Bisherige Pflegestufe 3 oder Pflegestufe 2 mit Demenz: Keine Leistungsverluste ab 2017
Kein Pflegebedürftiger mit bereits anerkannter Pflegestufe soll ab 2017 durch das neue Pflegestärkungsgesetz II schlechter gestellt werden als bisher (Bestandsschutz). Die Versicherten mit anerkannter Pflegestufe müssen nicht erneut begutachtet werden.
- Körperlich Pflegebedürftige mit der bisherigen Pflegestufe 3 werden automatisch in den nächsthöheren Pflegegrad 4 überführt.
- Demenzkranke Pflegebedürftige mit der bisherigen Pflegestufe 2 bekommen ebenfalls Pflegegrad 4 zugewiesen. Pflegebedürftigen mit Demenz wird automatisch ein Pflegegrad zugeordnet, der gleich zwei Stufen höher liegt als ihre bisherige Pflegestufe.